Eine alte Zukunft: Kirchenentwicklung auf dem Land

Neue Formen von Kirche – fresh expressions of church – können auch im ländlichen Raum entstehen. Für diese, von der städtischen Situation unterschiedliche Ausgangslage, hat Pete Atkins beim Kaffeeklatsch für Kirchenentdecker*innen einen Vorschlag aus England mitgebracht: „Gründet Gemeinden, die wie die ersten Gemeinschaften in der Apostelgeschichte leben.“

Die Bevölkerung auf dem Land wird immer größer – und gleichzeitig auch älter. Dieser Befund gilt für die Region Lincolnshire im Osten von England. Er lässt sich aber leicht auf unsere Verhältnisse in der (Saar-) Pfalz mit ihren Städten und Gemeinden in strukturschwachen ländlichen Räumen übertragen.
Klassische Pfarrei-Modelle greifen sowohl im ländlichen Raum in England, als auch hier immer weniger. Neue Formen von Kirche werden benötigt, die sich am Kontext, an den (Lebens-) Verhältnissen der Menschen orientieren.

Die Frage, wie Kirche im ländlichen Raum neu Gestalt annehmen kann, um Menschen zu erreichen, zu der sie keine Beziehung mehr hat, führte Pete und seine Kolleg*innen in der freshX-Bewegung zum Ursprung christlicher Gemeinden: der Apostelgeschichte.

Sein Input beim Kaffeeklatsch ist die Grundlage dieses Artikels.

Durch die Jahrhunderte hindurch gab es immer wieder schwierige Phasen für die Kirche. In diesen Zeiten gewannen klösterliche Formen, in denen der Glaube bewahrt wurde, immer wieder neu Bedeutung.
Schon in der Apostelgeschichte findet sich ein Hinweis auf zwei verschiedene – aber aufeinander bezogene Formen des Gemeinde-Lebens:

Leben und Zusammenhalt der ersten Christen

42 Was das Leben der Christen prägte, waren die Lehre, in der die Apostel sie unterwiesen, ihr Zusammenhalt in gegenseitiger Liebe und Hilfsbereitschaft, das Mahl des Herrn und das Gebet.
43 Jedermann ´in Jerusalem` war von einer tiefen Ehrfurcht vor Gott ergriffen und durch die Apostel geschahen zahlreiche Wunder und viele außergewöhnliche Dinge.
44 Alle, die ´an Jesus` glaubten, hielten fest zusammen und teilten alles miteinander, was sie besaßen.
45 Sie verkauften sogar Grundstücke und sonstigen Besitz und verteilten den Erlös entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen an alle, die in Not waren.
46 Einmütig und mit großer Treue kamen sie Tag für Tag im Tempel zusammen. Außerdem trafen sie sich täglich in ihren Häusern, um miteinander zu essen und das Mahl des Herrn zu feiern und ihre Zusammenkünfte waren von überschwänglicher Freude und aufrichtiger Herzlichkeit geprägt.
47 Sie priesen Gott ´bei allem, was sie taten` und standen beim ganzen Volk in hohem Ansehen. Und jeden Tag rettete der Herr weitere Menschen, sodass die Gemeinde immer größer wurde.

NGÜ – Apostelgeschichte, 42-47

In der Apostelgeschichte wird – irgendwann nach dem Pfingstereignis – von diesen zwei Möglichkeiten berichtet, wie sich Menschen versammeln: in den Tempelhöfen von Jerusalem oder in ihren Häusern.

Die sonntäglichen Versammlungen können dabei als Äquivalenz zu den Versammlungen in den Tempelhöfen verstanden werden. Sonntags-Gottesdienste weisen dabei ein typisches Merkmal auf:

  • Gottes Wort wird verkündet und ausgelegt: Gottes Wort
  • in Gebet und Gesang feiert die Gemeinde: Gottesdienst
  • die Gemeinschaft trifft und versammelt sich: Gemeinde
  • die Menschen teilen miteinander, was ihnen wichtig ist : Kommunikation

Alls das wird getragen von den Sakramenten und der Heiligen Schrift.

So geschieht es in England, auch in der Gemeinde von Pete (Threshold-Church) und an unzähligen Orten der Welt. Diese Art der Versammlung am Sonntagmorgen lässt sich leicht vergleichen mit dem, was in den Tempelhöfen von Jerusalem geschah: das Wort Gottes hören, sich voneinander erzählen, Gemeinschaft teilen und Gottesdienst feiern.

Neben dieser Art von Gemeinde ermutigen wir Menschen, sich zusätzlich in kleineren Gemeinschaften zu vernetzen. Für diese Gemeinschaften stellen sich folgende zentrale Fragen:

  1. Wie lassen sich solche Gemeinschaften bilden?
  2. Was machen solche Gemeinschaften konkret?
  3. Wie hängen diese (Haus-) Gemeinschaften mit den sonntäglichen Versammlungen zusammen?
Fresh Expressions beginnt mit dem Gebet

Es beginnt mit Gottes Gegenwart: Er ist überall – auch im konkreten Kontext eines jeden Menschen. Es drängt ihn aber über die Ränder des eigenen Kontextes hinaus: er möchte über meinen Kontext und über mein Dorf hinaus bekannt sein.

Das erste ist das Gebet. Wir loben Gott mit unseren Worten, beten zu ihm und bitten um seinen Segen für unser Leben. Gebet hat aber auch die Welt um uns herum im Blick: das Dorf, in dem wir leben, die Gemeinschaften, in denen wir unterwegs sind – alle Menschen um uns herum. Und Gebet bedeutet auch hinzuhören: Wir können davon ausgehen, dass Gott schon wirkt in der Welt um uns herum. Daher stellt sich im Gebet auch die Frage: Wo kann ich mitmachen, wo kann ich mich einklinken, wo bin ich gerufen?

Gottes Wort als Hilfe

Die Bibel, Gottes Wort, hilft dabei, sich als Gemeinschaft zu entwickeln. Gottes Wort bildet eine zweite Grundlage für die Entwicklung von Gemeinschaften: es führt Menschen zusammen, die miteinander auf Gottes Wort hören, die versuchen, das umzusetzen, was sie verstehen, die als Gemeinschaft reifen und Nachfolge für sich entdecken.

Tischgemeinschaft

Neben Gebet und Schrift wird auch schon in der Apostelgeschichte davon berichtet, dass sich Menschen versammelten, um das Brot zu brechen und miteinander zu teilen. Sicherlich gibt es hier sehr unterschiedliche Traditionen und Wege in den Konfessionen: gemeinsam ist aber in allen Formen, dass Menschen sich um den Tisch versammeln, Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit erleben.

Gemeinschaften entstehen

Wenn sich eine kleine Gemeinschaft um Gebet, Schrift und Tischgemeinschaft herum bildet und nach und nach einen eigenen Rhythmus für sich gefunden hat, kann sich der Blick nach außen richten auf die Menschen im Ort. In den Bedürfnissen der Nachbarschaft antwortet Gott auf das eigene Gebet. Dabei lassen sich ganz konkrete Bedürfnisse entdecken; eine finanzielle Notlage, der Wunsch nach Gemeinschaft, ein besonderes künstlerisches Interesse … Genau so war es auch in den Klöstern: Eine Gemeinschaft, die sich im Gebet um das Wort und den Tisch versammelte und einen offenen Blick für die Notlagen, Bedürfnisse und Interessen der Menschen hatte.

Solche Gemeinschaften werden wachsen. Und sie werden entdecken, dass auf einmal auch Menschen dabei sein wollen, die vorher nicht im Blick waren – die anders sind, wie man selbst.

Solche klösterliche Hausgemeinschaften haben auch einen Bezug zur Versammlung am Sonntag. Beide Arten von Gemeinde – die an den Tempelhöfen und die in den kleinen Gemeinschaften – sind also aufeinander bezogen und stehen miteinander in Verbindung.

Ist das Mission?

Die Versammlungen in den Tempelhöfen – unsere Gottesdienste – werden sicherlich für manche Menschen passend sein, aber nicht für viele. In diesen kleinen häuslichen Gemeinschaften gestaltet man das Leben miteinander. Deshalb sind diese „Hausgemeinschaften“ natürlich viel näher an den Menschen und können auch dann spezifischer auf deren Bedürfnisse reagieren.

Pete beschreibt diese spezielle Form einer fresh expression als ancient future, als alte Zukunft.

Denn diese Form von Kirche ist nicht neu: sie wird in der Apostelgeschichte beschrieben und ist auch in Basisgemeinschaften oder kleinen klösterlichen Gemeinschaften der verschiedenen Konfessionen zu finden. Es gibt einen goldenen Faden, der sich durch die ganze christliche Geschichte zieht: Gott ließ seine Kirche oft durch kleine Gruppen wachsen. Diese Gemeinschaften zeichneten sich dadurch aus, dass die Menschen untereinander – aber auch mit der Welt um sie herum – sehr eng verbunden waren.

Dieses Modell der „Gemeinschaften vor Ort“ ist vor allem in Dörfern sehr hilfreich. In England gibt es viele Menschen, die solche Gruppen leiten. Meistens sind es Laien mit Mut und einer Vision. Sie bringen eine neue Dimension von Kirche zum Vorschein, die sich von dem unterscheidet, was wir kennen. Sie bleiben Teil der Kirche als Ganzes und sind miteinander verbunden.

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